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6. Kalter Krieg Historie Berlin Kurfürstendamm
Der Kurfürstendamm im Kalten Krieg

Das alte Zentrum der Berliner Mode und Konfektion um den Hausvogteiplatz in Berlin Mitte war im Krieg zerstört worden. Die jüdischen Unternehmer, die in der Textilbranche Erfolg hatten, gab es in Berlin nicht mehr. In den 50er Jahren entstand im Westen Berlins, am Fehrbelliner Platz und vor allem am Kurfürstendamm eine neue, kurz aufblühende Modeindustrie. Die ersten Modeschauen nach dem Krieg gab es am Kurfürstendamm schon im Herbst 1945. Ein Jahr später gab es zwischen Gedächtniskirche und Halensee schon wieder 210 Geschäfte, darunter 43 Modefirmen. 1950 eröffneten vier große Modehäuser am Kurfürstendamm: Gehringer & Glupp, Horn, Staebe-Seger und Schwichtenberg.
Das 1955 am Kurfürstendamm 64/65 entstandene ECO-Haus war Domizil für eine Reihe von Konfektionsfirmen. 1000 Beschäftigte der Bekleidungsindustrie fanden hier neue Arbeitsplätze. 1957 kam das DOB-Haus am Zoo als Sitz der Damen-Oberbekleidungs-Industrie hinzu. Die kurze Blüte der Modeproduktion am Kurfürstendamm endete mit dem Mauerbau 1961.

Ein neues Kapitel von Berlin W

 Der Streit über den Umgang mit der Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wurde zur Auseinandersetzung über den Umgang mit der Vergangenheit. Viele Stadtplaner hatten die Kirche seit jeher als Verkehrshindernis empfunden und plädierten unmittelbar nach dem Krieg dafür, die Turmruine abzuräumen und den Breitscheidplatz großzügig für den Verkehr umzubauen. Der frühere Auguste-Victoria-Platz war 1947 nach dem SPD-Politiker und Widerstandskämpfer Rudolf Breitscheid benannt worden. Andere setzten sich für eine Rekonstruktion der Kirche ein, und eine dritte Gruppe plädierte für die Erhaltung der Ruine als Mahnmal gegen den Krieg.
Den Gestaltungswettbewerb von 1956 gewann ein Entwurf von Egon Eiermann, der die Reste der Kirche als "Steinhaufen" und die Turmruine als "faulen Zahn" bezeichnete. Mehrere Berliner Zeitungen machten dagegen mobil und veranstalteten Meinungsumfragen, in denen sich eine überwältigende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner für den Erhalt der Turmruine aussprach. Eiermann musste seinen Entwurf überarbeiten und legte 1958 schließlich die Pläne für einen Neubau der Kirche mit der Turmruine im Mittelpunkt vor. Mit der Einweihung des Kirchen-Neubaus am 17. Dezember 1961 wurde die erste Nachkriegsepoche am Kurfürstendamm abgeschlossen. Der "Tagesspiegel" formulierte: "Ein neues Kapitel von Berlin W wird aufgeschlagen."

"Sehnsucht nach diesem Kurfürstendamm?"

 Mit der Teilung Europas und der zunehmenden Verschärfung des Kalten Krieges zwischen Ost und West wurde der Kurfürstendamm mehr und mehr zum politischen Symbol. Der Osten diffamierte ihn als "Schandfleck im Herzen Berlins", der von "Schiebern, Nichtstuern, Dirnen und Spekulanten" bevölkert sei, so die "Berliner Zeitung" in einem Artikel vom September 1954. Die Überschrift "Sehnsucht nach diesem Kurfürstendamm?" ist allerdings wohl ein unfreiwilliger Hinweis, dass es sich bei diesen Schmähungen eher um einen Versuch handelte, die eigene Bevölkerung von dieser Sehnsucht abzubringen. Für den Westen war der Kurfürstendamm ein leuchtendes Schaufenster, eine Demonstration der Überlegenheit, des Wohlstands und wirtschaftlichen Erfolges der Insel West-Berlin mitten im Ostblock.
Wieder einmal war der Kurfürstendamm weit mehr als eine Geschäftsstraße in Berlin, er war wieder für viele zum ideologisch geprägten Begriff geworden, der mit der Wirklichkeit des Boulevards nur wenig zu tun hatte. Sein realer Zustand zeigte auch am Ende der 50er Jahre noch viele Spuren der Zerstörung. Auch der jährliche kurze Rausch der Internationalen Filmfestspiele konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeit des exquisiten Weltstadtboulevards der 20er Jahre unwiderruflich vorüber war. Um so mehr lebte er von seinem Mythos. Sein Image wurde von den einen kräftig poliert und von den anderen heftig angegriffen.

Autor: Karl-Heinz Metzger