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5. Nachkriegszeit Historie Berlin Kurfürstendamm
Der Wiederaufbau des Boulevards in der Nachkriegszeit

Am 1. Mai 1945 eroberten die Sowjets vom Wittenbergplatz aus nach Artillerieduellen mit deutschen Soldaten, die sich noch im Zoobunker verschanzt hatten, den Auguste-Victoria-Platz. Damit war der Zweite Weltkrieg auch am Kurfürstendamm zu Ende.
Rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche standen nur noch Trümmer und ausgebrannte Ruinen. Von 235 Häusern am Kurfürstendamm waren noch 43 bewohnbar. Die restlichen 192 waren total zerstört.Foto: Landesarchiv Berlin

Hunger nach Kultur und Unterhaltung

Neben der Suche nach Wohnraum und Lebensmitteln, der Trümmerbeseitigung und den ersten Wiederaufbauversuchen, gab es sofort nach Kriegsende auch einen enormen Hunger nach Kultur und Unterhaltung. Generaloberst Bersarin, der am 28. April 1945 zum Stadtkommandanten von Berlin ernannt worden war, gestattete in seinem ersten Erlass ausdrücklich den Betrieb von Vergnügungsstätten wie Kinos, Theatern, Zirkus oder Sportstadion – wenn auch zunächst nur bis 21.00 Uhr.
Schon am 1. Juni 1945 präsentierte das Kabarett der Komiker im Café Leon am Kurfürstendamm 156 (neben der heutigen Schaubühne) ein Notprogramm, die städtische Oper begann am 15. Juni mit einem Ballettabend im Theater des Westens. Das bis auf den Dachstuhl intakt gebliebene Marmorhaus und das Astor-Kino spielten bereits 1945 wieder Filme.
In den Ruinen wurden Restaurants eröffnet und vor den Ruinen Straßencafés. Im Restaurant Burgkeller am Kurfürstendamm 25 begannen die Stachelschweine mit ihrem ersten Kabarettprogramm, bevor sie in die Rankestraße weiterzogen. Die Komödie wurde am 26. März 1946, und das Theater am Kurfürstendamm am 17. Dezember 1947 wieder eröffnet.

Unklarheit über die Gestaltung der "Stunde Null"

Das historisch gewachsene Berlin lag in Trümmern. Viele Stadtplaner sahen darin eine Chance, endlich ihre Idealvorstellungen einer verkehrsgerechten Stadt in die Realität umzusetzen. Unersetzliche Bauten waren zwar in Schutt und Asche gelegt worden, aber an ihrer Stelle konnte etwas Neues, Modernes entstehen. Der Wunsch, die Nazi-Vergangenheit möglichst schnell zu vergessen und mit einer "Stunde Null" neu zu beginnen, mag dabei mitgespielt haben.
Dennoch konnte man sich zunächst nicht auf neue Pläne einigen, denn die politische Zukunft Berlins war zunächst noch unklar, und im Prozess der langsam sich vollziehenden Teilung der ehemaligen Reichshauptstadt konnte zunächst kein neues Selbstverständnis entstehen.
Am Kurfürstendamm wurden vielfach notdürftig Flachdächer auf die übrig gebliebenen ein oder zwei Stockwerke der alten Häuser gelegt und Behelfsbauten in die Lücken gesetzt. Solche Provisorien hielten dann oft Jahrzehnte. 1950 eröffneten das Maison de France mit dem Cinema Paris, das Modehaus Horn und das Kaufhaus des Westens.

Danach entstanden die ersten Neubauten: 1951 ein Flachbau von Paul Schwebes mit dem Café Kranzler und 1952 als erstes neuerbautes Hotel in Berlin das Kempinski.
Die Neubauten der 50er Jahre sind fast durchweg durch einen klaren, sachlichen Stil gekennzeichnet. Sie fügen sich zurückhaltend in den städtebaulichen Zusammenhang ihrer Umgebung ein: 1953 der neue Gloriapalast am Kurfürstendamm 12, 1954 das ECO-Haus Nr.64/65, 1955 das Allianz-Hochhaus am Joachimstaler Platz, 1956 das Geschäftshaus der Hamburg-Mannheimer Versicherung am Kurfürstendamm 32 und das MGM-Kino Nr. 197/198, 1957 der Zoo-Palast und 158 das Victoria-Areal mit dem neuen Café Kranzler. 1959 schließlich wurden das Schimmelpfenghaus an der Kantstraße 1 und das Zentrum am Zoo mit dem "Bikini-Haus" vom Hardenbergplatz bis zur Budapester Straße fertig.
Vor allem die beiden letzteren sprengen die baulichen Maßstäbe ihrer Umgebung und wirken im Verhältnis zur Gedächtniskirche überdimensioniert. Der Riegel des Schimmelpfenghauses über der Kantstraße versperrt die Sicht auf den Turm. Inzwischen besteht Einigkeit darüber, dass er abgerissen werden soll.

Der Kurfürstendamm wurde das Schaufenster des Westens

Foto: Landesarchiv Berlin
Neben dem zum Teil heftigen Streit um die neue bauliche Gestaltung der westlichen City gab es eine große Sehnsucht nach internationaler Beachtung. Der Hilferuf von Ernst Reuter an die "Völker der Welt" verlieh diesem Bedürfnis in der mehr und mehr abgetrennten westlichen Teilstadt auf höchst emotionale Weise Ausdruck. Der Kurfürstendamm war dazu prädestiniert, zum internationalen "Schaufenster des Westens" zu werden.
Das gelang zum ersten Mal nach dem Krieg mit den Filmfestspielen, die seit 1952 Jahr für Jahr unter großer internationaler Beteiligung am Kurfürstendamm gefeiert wurden. Die Ersten Internationalen Filmfestspiele Berlin waren 1951 noch im Steglitzer Titanic-Palast veranstaltet worden. Aber seit 1952 gab es neben dem Delphi-Kino an der Kantstraße das neue Kino Capitol im ehemaligen Universum am Kurfürstendamm 153. Bereits 1953 kam der Neubau des Gloria-Palastes am Kurfürstendamm 12 und die Filmbühne Wien am Kurfürstendamm 26 hinzu, seit 1957 der Zoo-Palast als größtes Festival-Kino.
Auf dem abgesperrten Kurfürstendamm säumten Tausende die Star-Paraden und feierten enthusiastisch Gary Cooper, Sophia Loren, Gina Lollobrigida, Alec Guinness, Richard Widmark, Henry Fonda, Errol Flynn, Shirley MacLaine, James Stewart, Federico Fellini und Wald Disney. Während der Filmfestspiele der 50er Jahre fühlte Berlin sich für 14 Tage als Weltstadt. Ein großer Teil der Bevölkerung nahm daran Anteil und pilgerte zum Kurfürstendamm.

Autor: Karl-Heinz Metzger