Ihr Browser unterstützt kein Java-Script, bitte aktivieren!
GO! Busca confortable (por eso a horario de apertura)
7. Ante la caíra del muro Historia Berlin Kurfürstendamm
Der Boulevard als Bühne in der Mauerzeit 1961 bis 1989

Das eingemauerte West-Berlin von 1961 bis 1989 erscheint heute als Episode. Mit dem Bau der Mauer am 13. August 1961 verlor die City-West ihren Charakter als City-Filiale, ihre Funktion als moderne Alternative zur alten Berliner Mitte. Noch in den 50er Jahren war es ja vor allem die Konkurrenz zur Ost-Berliner Tristesse des Mangels, mit der das Schaufenster des Westens sich als die glanzvollere City präsentierte. Jetzt wurde aus der Berliner City-Filiale plötzlich das Zentrum West-Berlins. Der Kurfürstendamm wurde zur Bühne für Staatsaktionen und für politische Demonstrationen. Erst nach dem Fall der Mauer wurde der provisorische, episodenhafte Charakter dieser drei Jahrzehnte deutlich. Die Akteure waren sich dessen nicht bewusst und hatten Mühe, eine neue Rolle für den Kurfürstendamm zu definieren. Seit geraumer Zeit glänzt der Kurfürstendamm erneut in voller Pracht und bildet eine von vielen Cities, die Berlin zu bieten hat.

Flucht der Wirtschaft

Die kurze wirtschaftliche Blütezeit der Mode- und Konfektionsindustrie auf dem Kurfürstendamm ging mit dem Mauerbau abrupt zu Ende. Die Modehäuser verlagerten die Produktion von Modellkleidung entweder nach West-Deutschland, ins Ausland oder sie stellten sie ganz ein. Neue Magneten bildeten Boutiquen und Kaufhäuser.
Viele Grundstücke am Kurfürstendamm zeigten am Anfang der 60er Jahre noch die Spuren des verlorenen Krieges. Vielerorts standen einstöckige Ruinen oder hässliche Behelfsbauten. Die Eigentümer hatten zunächst kein Interesse am Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser. Viele zogen nach dem Mauerbau nach Westen und verkauften ihre Grundstücke – notfalls auch unter Wert. Der öffentliche Druck wuchs, die "Schandflecke" und "Andenken des Krieges" zu beseitigen. Medien und Politik beklagten, dass die Erneuerung zu langsam vorankam. Aber da es noch kein wirtschaftliches Interesse an entsprechenden Investitionen gab, konnten nur staatliche Programme für Bautätigkeit sorgen. Das Berlinhilfe-Gesetz und das Berlinförderungsgesetz schufen die Grundlage für umfangreiche Finanztransfers aus der Bundesrepublik nach West-Berlin.

Bausünden

Gefördert durch staatliche Bauprogramme entstanden am Kurfürstendamm moderne Großbauten, die sich bewusst abhoben vom traditionellen architektonischen Gesicht des Boulevards. Auf die räumlichen Proportionen wurde keine Rücksicht genommen, alle bis dahin gültigen Maßstäbe wurden gesprengt.
Von 1963 bis 1965 wurde das Europa-Center am Breitscheidplatz gebaut. Der sich drehende Mercedes-Stern als I-Punkt auf dem Hochhaus wurde zum Symbol dafür, dass West-Berlin am Wirtschaftswunder der Bundesrepublik teilhaben durfte und ist seither auch ein Symbol der Stadt. 1966/67 folgte das Bekleidungshaus von C&A Brenninkmeyer an der Jochoachimstaler Straße Ecke Augsburger Straße, 1971 Wertheim zwischen Kurfürstendamm 230-233 und Augsburger Straße 36-42, 1972 das Kudamm-Eck von Werner Düttmann und 1973 Kudamm-Karree von Sigrid Kressmann-Zschach und Kurfürstendamm-Center in Halensee.
Fast alle diese Großbauten, die mit staatlicher Unterstützung entstanden, waren mit Finanzskandalen verbunden und mussten auch nach ihrer Fertigstellung weiter direkt oder indirekt staatlich subventioniert werden, um überleben zu können. So mietete sich die Senatsverwaltung für Kultur im Europa-Center ein, und die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege im Kudamm-Karree. Die meisten damals entstandenen Bauten mussten mehrmals umgebaut werden, die Wertheim-Fassade wurde in den 80er Jahren komplett umgestaltet, Kudamm-Eck und C&A wurden nach der Wende abgerissen und durch Neubauten ersetzt.

Politische Demonstrationen

Offizielle Paraden oder Demonstrationen hatte es bis 1961 auf dem Kurfürstendamm kaum gegeben. Dafür gab es das Brandenburger Tor, die Prachtstraße Unter den Linden oder den Platz der Republik vor dem Reichstag. Das änderte sich schlagartig mit dem Bau der Mauer. Als Zentrum West-Berlins wurde der Boulevard zur Bühne. Wer Aufsehen erregen wollte, der ging in West-Berlin auf den Kurfürstendamm. Den Anfang machten die US-Streitkräfte, als sie bereits eine Woche nach dem Mauerbau, am 20. August 1961 mit einer Militärparade über den Kurfürstendamm ihre Berlinpräsenz demonstrierten. Das Gleiche tat John F. Kennedy, als er am 26.6.1963 in einem Triumphzug über den Kurfürstendamm fuhr, wo ihm Tausende Berlinerinnen und Berliner zujubelten. Nach ihm kamen Queen Elisabeth II., Richard Nixon, Astronauten Armstrong, Collins und Aldrin und viele andere. 1965 begannen die Demonstrationen gegen Bildungsnotstand, gegen den Vietnam-Krieg, gegen die Notstandsgesetzgebung, gegen die Ermordung Martin Luther Kings aber auch gegen die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Pakts. Nachdem Rudi Dutschke am 11.4.1968 unweit des SDS-Büros am Kurfürstendamm 140 von einem Rechtsradikalen angeschossen und schwer verletzt wurde, kam es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Demonstriert wurde in der Folge auf dem Kurfürstendamm gegen die komplizierte Steuergesetzgebung, gegen die Umweltverschmutzung, gegen den Abriss von Baudenkmälern, gegen die Räumung von besetzten Häusern und gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten Reagan in Berlin. Dabei war der Kurfürstendamm als Demonstrationsort natürlich umstritten. Von Albertz bis Kewenig versuchten die Innensenatoren immer wieder, den Kurfürstendamm von Demonstrationen frei zu halten, aber am Ende setzten sich die Demonstranten durch.

Bouletten- und Skulpturen-Boulevard

Wie schon immer, so war der Kurfürstendamm auch während der Mauerzeit umstritten. Seit Ende der 70er Jahre nahm die Kritik zu und konstatierte Niveauverlust und Verfall. Der "Spiegel" sah am 23.2.1981 nur noch "Boulettenburgen am Boulevard". Peep-Shows und Spielsalons wurden als unangemessen empfunden, und man versuchte, dem "Turnschuh-Tourismus am Boulevard" etwas entgegen zu setzen. 1981 wurde eine City-Kommission gegründet, die IHK machte Änderungsvorschläge, im Abgeordnetenhaus wurden Maßnahmen zur Erhaltung des Kurfürstendamms als Boulevard diskutiert. 1984 berief die City-Kommission eine Arbeitsgruppe "Gestaltung des öffentlichen Raumes", die ein "Lineares Regelwerk Kurfürstendamm" ausarbeitete.
Ergebnis dieser Bemühungen war die Aufstellung der historischen Hardenberg-Leuchten am Kurfürstendamm, die "Kunstmeile Kurfürstendamm" und der Weihnachtsmarkt zwischen Gedächtniskirche und KaDeWe seit 1984. Es wurde wieder mächtig investiert in das Aushängeschild West-Berlins. Alte Qualitäten wurden wieder entdeckt, Stuckfassaden liebevoll restauriert, aber auch neue moderne Glanzpunkte wurden geschaffen, etwa 1984 mit dem Weltkugelbrunnen von Joachim Schmettau auf dem neu gestalteten Breitscheidplatz zwischen Gedächtniskirche und Europa-Center. Bereits 1981 war die neue Schaubühne am Lehniner Platz eröffnet worden: Den futuristischen Mendelsohn-Bau aus den 20er Jahren hatte man dafür abgerissen und mit komplett neuer Innenraumgestaltung äußerlich originalgetreu wieder aufgebaut.
Die Geschäftsleute inszenierten am Kurfürstendamm "die längste Galerie der Welt", und Kultursenator Volker Hassemer gab anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins das Projekt "Skulpturenboulevard" in Auftrag: Acht Künstler und Künstler-Paare sollten für eine begrenzte Zeit auf dem Boulevard die aktuelle Berliner Kunst der breiten Öffentlichkeit vorstellen, der Kurfürstendamm sollte einmal Bühne für die Kunst sein. Hier, an ihrem prominentesten Ort, wollte sich die "Kulturmetropole" präsentieren und damit über den Verlust der politischen Hauptstadtfunktion hinwegtrösten.
"Berlin", die ineinander verschlungenen aber getrennten Röhrenarme von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff auf dem Mittelstreifen des Tauentzien wurden sofort zum beliebten Fotomotiv – mit der Gedächtniskirche im Hintergrund. Die Symbolik in der geteilten Stadt war unübersehbar. Am anderen Ende des Boulevards auf dem Rathenau-Platz wurden die "Zwei Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja" von Wolf Vostell zum jahrelangen Streitobjekt. Kein Kunstereignis hat wohl im Berlin der Nachkriegszeit solche heftige Diskussionen ausgelöst. Eine Bürgerinitiative stellte dem provozierenden Werk sogar zeitweise einen Beton-Trabi gegenüber. Weniger spektakulär war die "Pyramide" von Josef Erben an der Ecke Bleibtreustraße. Aber die drei Skulpturen konnten sich bis heute behaupten, während die anderen entsprechend ihrer ursprünglichen Bestimmung nur temporär auf dem Kurfürstendamm aufgestellt blieben.

Symbol der Sehnsucht

Auch wenn vom Qualitätsverfall des Kurfürstendamms die Rede war, blieb er ein Symbol der Sehnsucht. Sein Mythos war weder durch Bausünden noch Restaurantketten zu besiegen. 1985 kam der Film "Einmal Ku'Damm und zurück" mit Ursula Monn in die Kinos. Er war bereits 1983 gedreht worden und präsentierte den Kurfürstendamm als Ziel aller ostdeutschen Wünsche. Am 9. November 1989 war es dann so weit. Mit einer gigantischen Trabi-Parade auf dem Kurfürstendamm feierten Ost und West gemeinsam die Öffnung der Mauer, das Ende der Teilung. Die Episode der eingemauerten Stadt war nach 28 Jahren endlich vorüber. Mit einem großen Spektakel fiel der Vorhang für den Kurfürstendamm als Bühne, und der Vorhang öffnete sich für ein neues Kapitel in der Geschichte des glamurösen Boulevards.

Autor: Karl-Heinz Metzger